Rechtliche und regulatorische Einflussfaktoren
Die Lufthansa Group unterliegt zahlreichen nationalen und europäischen Vorschriften. Diese haben Einfluss auf die Kosten und – sofern sie außereuropäische Wettbewerber nicht erfassen – die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.
Besonders relevant ist in diesem Zusammenhang die künftige Klimaschutzpolitik in Deutschland und Europa. Aber auch Gesetze zum Daten- und Verbraucherschutz sowie Luftverkehrsteuern, Luftsicherheitskosten, Start- und Landerechte oder Nachtflugverbote beeinflussen die Lufthansa Group ebenso wie die gesamte Luftfahrtbranche.
Im Sommer 2021 hat die EU-Kommission mit ihrem „Fit for 55“-Legislativpaket regulatorische Vorschläge präsentiert, wie die europäischen Klimaschutzziele – die CO2-Emissionen um 55 % im Vergleich zu 1990 zu senken – erreicht werden sollen. Von den insgesamt 13 Gesetzesinitiativen sind drei für den Luftverkehr besonders relevant: die Reform des Emissionshandels (EU-ETS), eine Beimischungsquote für nachhaltige Flugkraftstoffe (ReFuelEU Aviation) sowie der Vorschlag zur Einführung einer Kerosinsteuer (Energiesteuerrichtlinie). Die Co-Gesetzgeber, das Europäische Parlament sowie der Europäische Rat, haben sich im Frühjahr 2023 final darauf geeinigt, die Gesamtzahl der CO2-Zertifikate schrittweise zu reduzieren und die bisherigen kostenlosen („freien“) Zuteilungen ab 2026 komplett abzuschaffen. Dies wird den Zubringerverkehr europäischer Airlines verteuern und birgt das Risiko, dass Langstreckenverbindungen verstärkt auf außereuropäische Drehkreuze verlagert werden und der Wettbewerb zwischen EU-Airlines und ihrer Konkurrenz aus dem Mittleren und Nahen Osten weiter verzerrt wird. Um einen Anreiz für das Tanken nachhaltiger Kraftstoffe (SAF) zu schaffen, die um ein Mehrfaches teurer als fossiles Kerosin sind, wurde beschlossen, zeitlich befristet ein begrenztes Kontingent an CO2-Zertifikaten als Ausgleich für die Mehrkosten von SAF zur Verfügung zu stellen. Hierdurch können jedoch weder die Mehrkosten in hinreichendem Maße ausgeglichen noch die notwendigen gleichen Wettbewerbsbedingungen mit Fluggesellschaften außerhalb der EU erreicht werden. Auch die im Sommer 2023 beschlossene europäische Beimischungsquote für nachhaltige Flugkraftstoffe (ReFuelEU Aviation) wird nach Einschätzung der Lufthansa Group zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen im interkontinentalen Verkehr und stark steigenden Kosten für europäische Fluggesellschaften führen, da außereuropäische Fluggesellschaften mit Umsteigeflughäfen in der Nähe von Europa weiterhin für einen Teil der Reise ohne Quote tanken können. Dass SAF in absehbarer Zukunft weder in ausreichender Menge noch zu wettbewerbsneutralen Preisen erhältlich sein werden, bleibt bislang unberücksichtigt.
Die diskutierte Einführung einer europäischen Kerosinsteuer würde das globale Wettbewerbsproblem zusätzlich verschärfen. Im weiteren Gesetzgebungsprozess sind daher aus Sicht der Lufthansa Group Nachbesserungen zwingend erforderlich, um die Wettbewerbsfähigkeit der in der EU beheimateten Airlines zu erhalten und die Verlagerung von Verkehren und Emissionen – den sogenannten „Carbon-Leakage-Effekt“ – zu vermeiden. Die Erhöhung der nationalen Luftverkehrsteuer, wie sie derzeit in Deutschland diskutiert wird, würde die im europäischen Vergleich ohnehin schon hohen Standortkosten des Luftverkehrs in Deutschland weiter erhöhen, und damit die Anbindung Deutschlands an den europäischen und globalen Luftverkehr – ohne Nutzen für das Klima – zusätzlich verschlechtern. ↗ Zusammengefasste nichtfinanzielle Erklärung/Klimaschutz.
Europäische und nationale Verschärfungen in der Verbraucherpolitik können für die Lufthansa Group und ihre Kundinnen und Kunden zu steigenden Kosten führen. Hierzu zählen insbesondere Bestrebungen, eine Insolvenzabsicherung von Flugreisen einzuführen, Erstattungs- und Entschädigungszahlungen zu automatisieren und Vorauszahlungen von Tickets sowie No-show-Klauseln zu untersagen.
Der im September 2020 veröffentlichte Entwurf der EU-Kommission zur Neuregulierung des einheitlichen europäischen Luftraums (Single European Sky) soll die Effizienz der Luftsicherung in der EU steigern und bietet damit das Potenzial, nicht nur CO2-Emissionen zu reduzieren und Treibstoff zu sparen, sondern auch Flugverspätungen zu vermeiden. Die politischen Diskussionen hierzu dauern an. Ein Ergebnis, das hinter den Status quo zurückfällt, oder ein grundsätzliches Scheitern der Verhandlungen würden sich negativ auf die Regelmäßigkeit und Pünktlichkeit im europäischen Luftverkehr auswirken.
Im Zusammenhang mit der Nutzung von Start- und Landerechten (Slots) sind die vorübergehenden Erleichterungen anlässlich der Corona-Pandemie und des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ausgelaufen. Es gelten wieder die allgemeinen Regeln, wonach das Recht auf Wiederzuteilung von Slots in der Folgeperiode verloren geht, wenn diese in einer Flugperiode zu weniger als 80 % genutzt wurden. Ein Revisionsvorschlag bis zur Europawahl im Juni 2024 ist nicht zu erwarten. Langfristig sind Kapazitätseinschränkungen aus Umwelt- und Klimaschutzerwägungen, wie aktuell am Flughafen Amsterdam, als Teil des politischen Diskurses möglich.