Chancen- und Risikomanagement

Chancenmanagementprozess

Für die globale Airline-Industrie mit ihrer hohen Dynamik bieten sich Chancen sowohl von außen, zum Beispiel durch neue Kundenwünsche, Marktstrukturen, fortschreitende Konsolidierung oder Veränderung regulatorischer Rahmenbedingungen, als auch von innen durch neue Produkte, Innovationen, Qualitätsverbesserungen und weitere Wettbewerbsdifferenzierungen.

Mitarbeitende und Management der Lufthansa Group identifizieren Chancen durch kontinuierliche Marktbeobachtungen und im Rahmen der laufenden Überprüfung bestehender Produkte und Prozesse. Darüber hinaus ist das Chancenmanagement integraler Bestandteil der jährlichen Strategie- und Planungsprozesse. In Szenario-Analysen und fundierten Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen werden Chancen genau untersucht. Chancen, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung für die Entwicklung der Lufthansa Group als vorteilhaft erachtet werden, werden mittels gezielter Maßnahmen verfolgt. Die Steuerung erfolgt durch etablierte Planungs- und Prognoseprozesse ebenso wie durch Projekte. Chancen mit konzernweiter Relevanz fließen in die Konzernstrategie ein. ↗ Konzernstrategie. Darüber hinaus identifizieren die einzelnen Geschäftsfelder individuelle Chancen und verfolgen deren Umsetzung. ↗ Geschäftsfelder.

Ziele und Strategie des Risikomanagementsystems

Das Risikomanagement der Lufthansa Group verfolgt das Ziel, wesentliche Risiken vollständig zu identifizieren, transparent und vergleichbar darzustellen, zu bewerten und zu steuern. Risk Owner sind verpflichtet, Risiken proaktiv zu überwachen und zu steuern sowie relevante Informationen in den Planungs-, Steuerungs- und Kontrollprozessen zu berücksichtigen. Die vom Vorstand erlassene Konzernrichtlinie Risikomanagement legt alle methodischen und organisatorischen Standards im Umgang mit Chancen und Risiken verbindlich fest.

Aufbau des Risikomanagementsystems

In den Betrachtungsbereich des Risikomanagementsystems werden neben allen Passagierfluggesellschaften der Lufthansa Group auch die Geschäftsfelder Logistik und Technik sowie die Gesellschaften Lufthansa Aviation Training, Miles & More, Lufthansa Global Business Services, die IT-Gesellschaften sowie die Delvag-Gruppe einbezogen. Die Gesellschaft AirPlus International GmbH gehört aufgrund der Veräußerung nicht mehr zur Lufthansa Group.

Die Beteiligten werden in der Abbildung ↗ G20 Risikomanagement bei der Lufthansa Group dargestellt.

Der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats überwacht die Existenz und Wirksamkeit des Risikomanagements der Lufthansa Group.

Der Risikomanagementausschuss stellt im Auftrag des Vorstands sicher, dass Prozesse, Strukturen und Regelwerke etabliert sind, um Geschäftsrisiken laufend über alle Funktionen und Prozesse hinweg frühzeitig zu erkennen, zu steuern und zu bewerten. Außerdem ist er dafür verantwortlich, die Effektivität und Effizienz des Risikomanagements zu verbessern. Die Besetzung und die Verantwortung des Gremiums sind in einer Geschäftsordnung festgelegt.

Die fachliche Zuständigkeit für das konzernweit einheitliche Risikomanagementsystem liegt im Bereich Corporate Controlling. Der verantwortliche Bereichsleiter berichtet direkt an den Finanzvorstand. Das Konzern-Risikomanagement ist für die Implementierung einheitlich geltender Standards, Methoden, die Koordination und fortlaufende Weiterentwicklung des Risikomanagementprozesses sowie für das gesamte Risikomanagementberichtswesen der Lufthansa Group verantwortlich.

In allen einbezogenen Gesellschaften sind Risikomanagementbeauftragte durch die jeweiligen Vorstände beziehungsweise Geschäftsführungen ernannt. Diese sind für die Umsetzung der Konzernrichtlinie in ihren Gesellschaften verantwortlich und stehen in engem und regelmäßigem Austausch mit dem Risikomanagement der Lufthansa Group. Außerdem stellen sie die Abstimmung der risikorelevanten Informationen mit den Planungs- beziehungsweise Prognoseprozessen ihrer Gesellschaft sicher (Risikocontrolling).

Als sogenannte Risk Owner sind namentlich Führungskräfte mit Budget- und/oder disziplinarischer Verantwortung benannt. Diese sind für die Umsetzung des bereichsbezogenen Risikomanagements zuständig. Somit gehört es zu den elementaren Aufgaben jeder Managementfunktion, Risiken zu erkennen, zu bewerten, zu überwachen und zu steuern. In den „Risikopolitischen Grundsätzen“ ist unter anderem festgelegt, dass der Eintritt wesentlicher vorhersehbarer Risiken, über die in der Vergangenheit nicht berichtet wurde, als schwerwiegender Managementfehler angesehen wird.

Die interne Revision führt unternehmensinterne, unabhängige Systemüberprüfungen mit Fokus auf Angemessenheit und Wirksamkeit des praktizierten Risikomanagementsystems der Lufthansa Group durch.

Im Rahmen der Jahresabschlussprüfung wird das Risikofrüherkennungssystem der Deutschen Lufthansa AG hinsichtlich der aktienrechtlichen Anforderungen vom Abschlussprüfer untersucht. Die Prüfung im Geschäftsjahr 2024 kam zu dem Ergebnis, dass die gesetzlichen Anforderungen des § 91 Abs. 2 AktG erfüllt werden.

Ablauf des Risikomanagementprozesses

Der geschlossene, kontinuierliche und IT-gestützte Risikomanagementprozess beginnt mit der Identifikation aktuell und zukünftig bestehender Risiken aus allen wesentlichen internen und externen Bereichen. Als Risiken definiert die Lufthansa Group mögliche negative Abweichungen von einem Planwert, einer Prognose oder einer Zielvorstellung. Identifizierte Risiken werden von den Risikokoordinierenden der Gesellschaften plausibilisiert und im konzernweiten Risikoportfolio zusammengestellt. Das Risikoportfolio dokumentiert die systematische Gesamtheit aller Einzelrisiken und stellt das qualitätsgesicherte Ergebnis der Identifikationsphase dar. Aufgrund der sich dynamisch verändernden Risikolandschaft setzen sich die Risk Owner kontinuierlich mit der Identifikation von Risiken auseinander.

Risk Owner sind verpflichtet, die von ihnen verantworteten Risiken mindestens quartalsweise auf Vollständigkeit und Aktualität zu überprüfen. Sie beziehen dabei auch ein, in welchem Maß risikobezogene Sachverhalte bereits in der Ergebnisprognose berücksichtigt sind und inwieweit darüber hinaus Chancen beziehungsweise Risiken bestehen, ein im Vergleich zur Prognose besseres oder schlechteres Ergebnis zu erreichen. Sie managen Chancen und Risiken aktiv durch risikomitigierende Steuerungsinstrumente und Maßnahmen.

Darauf aufbauend wird der Vorstand regelmäßig über die aktuelle Risikolage der Lufthansa Group und ihrer Geschäftsfelder informiert.

Der Vorstand berichtet jährlich an den Prüfungsausschuss über die Entwicklung des Risikomanagementsystems, die aktuelle Risikosituation der Lufthansa Group sowie über wesentliche Einzelrisiken und deren Management. Ergänzend zu diesen Standardberichten bestehen im Fall von wesentlichen Veränderungen bereits identifizierter oder neu erkannter Top-Risiken verbindlich geregelte Ad-hoc-Meldeprozesse.

Bewertungssystematik im Risikomanagementprozess

Im Anschluss an die Risikoidentifikation erfolgt die Bewertung aller erfassten Einzelrisiken nach einheitlichen Bewertungsprinzipien. Die Risikobewertung erfolgt grundsätzlich auf Nettobasis, also unter Berücksichtigung von implementierten und wirksamen Steuerungs- und Überwachungsinstrumenten. Es wird dabei methodisch zwischen qualitativen und quantitativen Risiken unterschieden. Unabhängig von der Risikoart werden dabei, soweit möglich, objektive Kriterien oder Erfahrungswerte zugrunde gelegt. Die Risikobewertung bildet so die Basis für die Bündelung gleichartiger Einzelrisiken zu einem konsolidierten Risiko. Mit dem Ziel, die Risikoposition proaktiv zu begrenzen, werden geeignete Instrumente zur Risikosteuerung definiert. Durch eine fortlaufende Risikoüberwachung werden Veränderungen von Einzelrisiken sowie Anpassungsbedarfe bei der Risikosteuerung frühzeitig erkannt. Sofern erforderlich werden zur Risikosteuerung und -überwachung notwendige Maßnahmen initiiert. Darunter sind befristete, hinsichtlich Verantwortlichkeit und Zeitbezug klar definierte Aktivitäten zu verstehen, die dem Aufbau von Regelinstrumenten dienen.

Bei qualitativen Risiken handelt es sich meist um langfristige Entwicklungen mit potenziell nachteiliger Auswirkung auf die Lufthansa Group. Aufgrund häufig noch unkonkreter Informationslage lassen sich diese Risiken nicht oder noch nicht quantifizieren. Im Kontext von qualitativen Risiken erfolgt das Risikomanagement im Sinne eines strategischen Umgangs mit Unsicherheiten. Um diese Risiken dennoch einer möglichst systematischen Bewertung zu unterziehen, werden Einschätzungen zum Bedeutungsgrad und zur Ausprägungsform getroffen. Der Bedeutungsgrad beschreibt den möglichen Einfluss des Einzelrisikos beispielsweise auf die Reputation, das Geschäftsmodell oder das Ergebnis. Bei der Ausprägungsform wird beurteilt, wie ausgeprägt oder verdichtet die Informationen sind, die auf das potenzielle Risiko der Lufthansa Group beziehungsweise der jeweiligen Gesellschaft hinweisen. Die Einstufungen sind der Abbildung ↗ G21 Lufthansa Risikobewertung für qualitative und quantitative Risiken zu entnehmen.

Bei quantitativen Risiken handelt es sich um Risiken, deren potenzielle Ergebniswirkung abgeschätzt werden kann. Dabei wird zwischen unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeiten differenziert. Als Schadensausmaß wird der potenzielle monetäre Effekt auf das Adjusted EBIT angegeben. Dieser bezieht sich je nach Art des Risikos auf selten eintretende Eventrisiken, zum Beispiel einen IT-Ausfall durch einen Cyber-Angriff, oder auf Risiken aus Abweichungen hinsichtlich der geplanten Geschäftsentwicklung, zum Beispiel aufgrund der Treibstoffpreisvolatilität. Quantitative Risiken bilden damit die Grundlage für die übergreifende Verifizierung potenzieller Plan- und Prognoseabweichungen. Die Schwellenwerte für die Einordnung des monetären Adjusted-EBIT-Effekts werden für die Lufthansa Group wie auch für die Konzerngesellschaften nach einheitlichen Kriterien zentral ermittelt und jährlich validiert.

Zur Wesentlichkeitsbeurteilung der qualitativen und quantitativen Einzelrisiken werden diese in A-, B-, C-, D- oder sonstige Risiken klassifiziert. Als wesentlich gemäß DRS 20 gelten für die Lufthansa Group alle quantitativen A-Risiken und B-Risiken sowie alle qualitativen A-Risiken und B-Risiken, die mindestens dem Bedeutungsgrad „wesentlich“ und der Ausprägungsform „hoch“ entsprechen. ↗ G21 Lufthansa Risikobewertung für qualitative und quantitative Risiken.

Risiken der Lufthansa Group, die dieses Wesentlichkeitskriterium erfüllen, werden im Abschnitt ↗ Risiken in der Einzelbetrachtung tabellarisch in der Reihenfolge ihrer Bedeutung für die Lufthansa Group dargestellt sowie im Folgenden detailliert beschrieben. Teilweise werden gleichartige Risiken im Vergleich zur internen Steuerung stärker aggregiert dargestellt. Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich die beschriebenen Risiken in unterschiedlichem Ausmaß auf sämtliche Geschäftsfelder der Lufthansa Group.

Darstellung der Risikotragfähigkeit

Das Risikomanagement der Lufthansa Group beinhaltet ein Konzept zur Risikotragfähigkeitsermittlung. In diesem wird eine Risikotragfähigkeitskennzahl auf Basis der Liquidität den aggregierten Top-Risiken pro Quartal gegenübergestellt, um sicherzustellen, dass ausreichende Mittel zur Risikodeckung zur Verfügung stehen. Die quantitativen Top-Risiken werden dafür gewichtet und auf Basis des Risikowerts aggregiert. Zusätzlich werden die qualitativen Top-Risiken ebenso im Bewertungsmodell berücksichtigt und in der Aggregation bewertet. Diese Darstellung ist Bestandteil der quartalsweisen Berichterstattung an den Vorstand. Dieses Vorgehen orientiert sich an den IDW 304 n.F.

Berücksichtigung der European Sustainability Reporting Standards im Risikomanagement

Die Lufthansa Group hat im Geschäftsjahr 2024 ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung auf die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) als Rahmenwerk umgestellt. Mit dem Übergang der Berichterstattung vom GRI-Standard (Global Reporting Initiative) zu den ESRS erfüllt die Lufthansa Group die gestiegenen regulatorischen Anforderungen und hält die neuen europäischen Standards ein. Das ESRS-Rahmenwerk verlangt detaillierte Angaben darüber, wie Unternehmen mit nachhaltigkeitsbezogenen Risiken und Chancen umgehen. Mit der Übernahme dieser Standards unterstreicht die Lufthansa Group ihr Engagement für eine nachhaltige Entwicklung und eine verantwortungsvolle Unternehmensführung. Die Anpassung verbessert die Bewertung nachhaltigkeitsbezogener Risiken und Chancen innerhalb des Geschäftsbetriebs und gewährleistet einen umfassenderen und vorausschauenden Ansatz für das Risikomanagement sowie eine transparente Kommunikation mit den Stakeholdern. Einzelheiten zur Wesentlichkeitsbewertung finden sich in der ↗ Zusammengefassten nichtfinanziellen Erklärung.

Internes Kontrollsystem zur Überwachung des Risikomanagementprozesses

Der Risikomanagementprozess der Lufthansa Group wird durch ein Internes Kontrollsystem (IKS) überwacht. Hierbei wird die Wirksamkeit der Kontrollmaßnahmen wesentlicher Risiken im Rahmen des IKS der Lufthansa Group systematisch überprüft. Die Auswahl der relevanten Risiken erfolgt jährlich. Die Prüfung beinhaltet die Bewertung des Aufbaus und der Funktionsfähigkeit. Die Berichterstattung über die Prüfungsergebnisse ist Bestandteil des Berichts über die Wirksamkeit des IKS an die jeweiligen Aufsichtsgremien der Gesellschaften beziehungsweise gesellschaftsübergreifend an den Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats der Deutschen Lufthansa AG.